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Lineare Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten

Die allgemeine Gestalt der skalaren linearen Differentialgleichung von Ordnung $ k$ ist

$\displaystyle y^{(k)}+a_1y^{(k-1)}+\dots+a_{k-1}y'+a_k y = 0 ,$ (1)

wobei $ a_1,\dots,a_k$ reelle oder komplexe Konstanten sind, und $ y:\mathbb{R}\to\mathbb{R}$ bzw. $ \mathbb{R}\to\mathbb{C}$ die unbestimmte Funktion ist. (Die obige Gleichung ist als Gleichheit von Funktionen zu verstehen, auf der rechten Seite steht die Nullfunktion $ t\mapsto 0$ .) Wir behandeln in erster Linie den reellen Fall.

Wir bezeichnen die Menge aller beliebig oft differenzierbaren Definitionen von $ \mathbb{R}$ nach $ \mathbb{R}$ mit $ C^\infty(\mathbb{R})$ . Die linke Seite von (3) läßt sich schreiben als $ F(y)=0$ , wobei $ F:C^\infty(\mathbb{R})\to C^\infty(\mathbb{R})$ der Operator

$\displaystyle f \mapsto f^{(k)}+a_1f^{(k-1)}+\dots+a_{k-1}f'+a_k f $

ist. Das charakteristische Polynom von (3) ist $ P(T)=P_F(T)=T^n+a_1T^{n-1}+\dots+a_{n-1}T+a_n$ .

Satz 5   Es seien $ F_1,F_2$ lineare Differentialoperatoren mit konstanten Koeffizienten. Dann ist $ F_1\circ F_2$ wieder linearer Differentialoperator mit konstanten Koeffizienten. Es gilt

$\displaystyle P_{F_1\circ F_2} = P_{F_1}P_{F_2} = P_{F_2\circ F_1} . $

Satz 6   Es sei $ F(y)=0$ eine lineare Differentialgleichung $ n$ -ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Es sei

$\displaystyle P(T) = (T-\lambda_1)^{e_1}\dots(T-\lambda_m)^{e_m} , e_1+\dots+e_m=n $

die Zerlegung vom charakteristischen Polynom in komplexe Linearfaktoren. Dann sind die Lösungen von $ F(y)=0$ genau die Linearkombinationen der Lösungen

$\displaystyle e^{\lambda_1 x},\dots,e^{\lambda_1 x}x^{e_1-1},\dots,e^{\lambda_m x},\dots,e^{\lambda_m x}x^{e_m-1} . $

Insbesondere bilden die Lösungen einen Vektorraum der Dimension $ n$ .

Im reellen Fall erhält man durch den obigen Satz nur eine Basis von komplexwertigen Lösungen. Diese lassen sich aber mit Hilfe der Eulerschen Formeln durch reelle Basislösungen ersetzen. Zum Beispiel erzeugen die Funktionen $ y_1,y_2:\mathbb{R}\to\mathbb{C}$ ,

$\displaystyle y_1(t)=e^{(a+bi)t}, y_2(t)=e^{(a-bi)t} $

über $ \mathbb{C}$ den selben Vektorraum wie die Funktionen $ x_1,x_2:\mathbb{R}\to\mathbb{R}$

$\displaystyle x_1(t)=e^{at}\cos(bt), x_2(t)=e^{at}\sin(bt) . $

Die Funktionen $ x_1,x_2$ sind jedoch reellwertig und erzeugen über $ \mathbb{R}$ alle reellwertigen Lösungen.

Beim Anfangswertproblem sind zusätzlich zur Gleichung 3 die Anfangsbedingungen

$\displaystyle y(a)=b_0, y'(a)=b_1,\dots, y^{(n-1)}(a)= b_{n-1}$ (2)

vorgegeben, wobei $ a,b_0,\dots,b_{n-1}$ gegebene reelle oder komplexe Zahlen sind.

Satz 7   Das Anfangswertproblem 3,2 besitzt eine eindeutige Lösung.

Wenn $ y_1,\dots,y_n$ eine Basis des Lösungsraumes ist, dann ist die Wronskische Determinante $ \begin{bmatrix}y_1(a) & y_1'(a) & \dots & y_1^{(n-1)}(a) \\ \dots & \dots & \dots & \dots \\
y_n(a) & y_n'(a) & \dots & y_n^{(n-1)}(a) \end{bmatrix} $ ungleich 0.

Literatur:
[3, IV.15]


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Josef Schicho 2016-01-17